Storage Wars in der Schweiz
Dezember 2020
Zo/Avu und züriost.ch - Die «Lagerkriege» in der Schweiz
Wie bei so vielen Dingen, wird in der USA selbst aus der Räumung von Lagerboxen eine Riesenshow gemacht. Was die Sendung «Storage Wars» mit der Realität in der Region zu tun hat.
züriost.ch, Dario Aeberli | Mittwoch, 02. Dezember 2020, 08:19 Uhr
Thomas Wiedmer mag die Sendung Storage Wars. Mit der echten Arbeit im Lagerboxen-Geschäft habe das wenig zu tun.
Dario Aeberli
Immer und immer wieder wird Thomas Wiedmer an Anlässen auf das gleiche Thema angesprochen. Er ist Geschäftsleitungsmitglied der Firma W. Wiedmer AG, die neben Umzügen und Transporten auch Lagerboxen – unter anderem in Fällanden und Schwerzenbach – anbietet. Und immer, wenn er diese Lagerboxen erwähne, müsse er erklären, ob die Räumung wie in den amerikanischen Fernsehsendungen ablaufe. «Die Leute scheinen alle die gleichen Vorstellungen zu haben», sagt Wiedmer.
Die «Lagerkriege»
Die amerikanische Sendung, um die es geht, heisst etwas martialisch «Storage Wars». Dabei wird der Inhalt von Lagerboxen – einfache, garagenähnliche Abstellräume – versteigert, weil deren Mieter seit mehr als drei Monaten in Zahlungsverzug sind. Die Meistbietenden hoffen, dass sich in einem dieser Lager wertvolle Gegenstände befinden, die den Auktionspreis deutlich übersteigen. Der Jux an der Sache ist, dass der Vermieter die Boxen zwar vorher öffnet, die Bietenden jedoch nur kurz von ausserhalb reinblicken dürfen. Sie müssen also ohne grosses Vorwissen entscheiden, ob in dem Lager ein Schatz oder doch bloss Müll rumstehen könnte und anschliessend ein Angebot abgeben.
Oft befinden sich nur Möbel, verstaubtes Spielzeug und Matratzen in den Lagerboxen. Manchmal, wenn die Meistbietenden ihre gefundenen Gegenständen bei Secondhand-Läden verkaufen, stellt sich jedoch heraus, dass das alte Spielzeug einen hohen Wert für Sammler hat. Den Sechser im Lotto zog 2018 ein Ehepaar aus Kalifornien. In einer der ersteigerten Lagerboxen befand sich ein Safe mit 7,5 Millionen Dollar in Bar.
Wann die Entsorgung folgt
Prinzipiell könnte man gemäss Wiedmer auch in der Schweiz solche Auktionen durchführen. «Die Frage ist mehr, ob es genug Leute gibt, die die Katze im Sack kaufen möchten», sagt er. Wiedmer vermutet auch, dass die Macher der Sendung beim Lagerinhalt etwas nachhelfen würden, um den Unterhaltungswert von «Storage Wars» zu heben. «Am Anfang läuft es für die neuen Besitzer der Boxen meist schlecht, sie sind den Tränen nahe – und dann gibt es am Schluss im letzten Lager doch noch eine Trouvaille», so Wiedmer.
«Wenn der Mieter sich später melden sollte,
hat er wenigstens das noch.»
Thomas Wiedmer, Geschäftsleitungsmitglied W.Wiedmer
Wenn in Fällanden oder Schwerzenbach jemand die Miete für die Lagerräume nicht mehr bezahle – was gemäss Wiedmer extrem selten vorkomme – laufe die Räumung weit weniger spektakulär ab. Melden sich die Mieter nicht mehr, werde als erstes der Lagerzugang gesperrt. «Danach öffnen wir die Box, um zu schauen, ob sie nicht schon geleert wurde», so Wiedmer. Meistens befänden sich bloss normale Hausratsgegenstände darin, die sich nicht mehr verkaufen liessen. «Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als den Lagerinhalt zu entsorgen.» Wobei Wiedmers Angestellte darauf achten würden, dass persönliche Gegenstände wie Fotoalben, Ausweise oder Dokumente zurückbehalten werden. «Wenn der Mieter sich später doch noch melden sollte, hat er wenigstens das noch», sagt Wiedmer.
Duftbäume gegen Hanfgeruch
Beim Todesfall eines Mieters, nehme ein Notar Kontakt zu den Hinterbliebenen auf. Wenn diese das Erbe annehmen, müssten sie für die versäumten Mietzahlungen aufkommen. Schlagen die Hinterbliebenen das Erbe aus, könnten sie die Lagerboxen besuchen und allfällige persönliche Gegenstände mitnehmen. «Aber natürlich keine Wertgegenstände, die verkaufen wir, um unsere Kosten zu decken», so Wiedmer.
«Dann bleibt uns nichts anderes übrig,
als den Lagerinhalt zu entsorgen.»
Thomas Wiedmer
Einmal hätte er eine Lagerbox auflösen müssen, weil plötzlich die Polizei mit einem richterlichen Beschluss aufgetaucht sei. «Ein Mieter hat in Kunststofffässern Hanfblätter aufbewahrt», sagt Wiedmer. Den Lagerraum hätte der Mann erst zwei Tage zuvor bezogen. Weil der Mieter Duftbäume an den Fässern befestigte, hätten Wiedmers Mitarbeitende jedoch keinen Hanfgeruch festgestellt. «Das war aber bisher der einzige solche Fall. Unsere Gebäude werden videoüberwacht und wir haben von jedem Mieter eine gültige Ausweiskopie, das schreckt ab.»
Dubiose Gestalten
Die Lagerboxen werden laut Wiedmer für verschiedenste Zwecke gebraucht. Beispielsweise wenn die Wohnung umgebaut wird und die Möbel zwischengelagert werden müssen. Oder wenn Winter komme und die Loungesessel keinen Platz im Keller haben. Aber auch wenn jemand einen Online-Shop gründet und die Pakete verstaut werden müssen. . «Einige Dinge hätten im Lager jedoch nichts verloren», sagt Wiedmer. Lebensmittel, Abfall und leicht Entflammbares, wie Benzin oder Munition gehören dazu. «Auch Lebendiges – Pflanzen eingeschlossen – sind gemäss unseren AGBs nicht erlaubt», so Wiedmer.
«Storage Wars ist zwar witzig, die Arbeit mit
Lagerboxen ist jedoch weit weniger spektakulär.»
Thomas Wiedmer
Kontrolliert würden die Lagerräume nicht systematisch. Wenn ein Verdacht bestehe, werde Kontakt mit den Kunden aufgenommen oder sich mit Mitarbeitern abgesprochen. «Mir fiel einmal auf, dass jeden Morgen etwa 20 Leute in Alltagskleidern in unser Lager liefen und in Uniformen wieder raus kamen», sagt Wiedmer. Ihm sei das etwas dubios vorgekommen.
Der Betriebsleiter habe ihm dann erklärt, dass eine Firma ihren Mitarbeitenden temporär eine Garderobe in den Lagerboxen eingerichtet habe. Ein andermal vermutete Wiedmer, dass jemand verbotenerweise in den Boxen übernachtet – dies habe sich dann aber nicht bewahrheitet. Die amerikanische Sendung würde also falsche etwas falsche Erwartungen wecken, sagt Wiedmer. «Storage Wars ist zwar witzig, die Arbeit mit Lagerboxen ist in echt jedoch weit weniger spektakulär.»